Neu in Chemnitz – Meine ersten Jahre mit GK
Der folgende Text von Herrn Peter Wilhelm Patt aus Chemnitz – einem sehr guten Freund von Gerhard Klampäckel – entstand anlässlich der Eröffnung der Ausstellung zur Erinnerung an den 85. Geburtstag von “GK” in der Galerie Weise.
“Neu in Chemnitz – Meine ersten Jahre mit ‘GK'” ist ein Auszug aus der zur Vernissage am 8. September 2004 in der Galerie Weise von Peter Wilhelm Patt für Gerhard Klampäckel gehaltenen Laudatio. Der Text wurde zunächst im TOP-Magazin Chemnitz (Heft 3/2004) veröffentlicht und hier den Machern der Website ebenfalls zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.
Eines Tages im Spätsommer 1990 stand Gerd Klampäckel in der Tür zum Büro. Der urwüchsige Maler mit der Baskenmütze kam einfach herein. Sein Fahrrad parkte vor dem Bankcontainer, er war gerade im Stadtbad gegenüber gewesen. Unmittelbar trat er in das Leben der bunt aus Westdeutschland zusammen gewürfelten Bankmenschen.
„Sollen wir nicht einmal eine Ausstellung machen? Was hat die Bank mit den vielen weißen Wänden vor? Ist es nicht auch Aufgabe einer Bank, Kunst zu fördern?
Hinter der sehnigen und kantigen Person verbarg sich ein kultivierter Mensch. Mit einer lauernden abwartenden Haltung lockte er die Gesprächsteilnehmer charmant aus der Reserve. Neugierig war er auf alles, was die Wende mit sich brachte. Beobachtend, kritisch offen hinterfragend entwickelten sich Gespräche, in denen sich dem Befragten ein immenser Erfahrungshintergrund erschloss. Gerd Klampäckel stellte sich selber stets zurück und gab, indem er die neu angekommenen Pioniere von ihren Visionen und Lösungsansätzen erzählen ließ. Er war ein aktiver Zuhörer.
Wir machten also die Ausstellung in der Commerzbank, eine Verkaufsausstellung in einem Bankcontainer im Herbst 1990 noch vor der Wiedervereinigung. Als ich die Verkaufserlöse zu Gerd Klampäckel ans Krankenbett brachte, weinte er fast, denn er hatte wohl gar nicht mit einem Verkaufserfolg gerechnet.
Jahre später kaufte ich seine neuen großen Werke für einen Neubau meines damaligen Haustechnikgroßhandels an der Werner-Seelenbinder-Straße, dem ersten Gewerbepark der Stadt. Wie ungehalten war GK, wenn die Bilder, seine Bilder, nicht ordentlich getragen und transportiert wurden. Alles organisierte er stets alleine, montierte und arrangierte – und das in seinem Alter. Aber wer konnte sein Alter schon schätzen? Im Haus waren auch noch viele Handwerker im Innenausbau tätig. Einer schimpfte, als er die großflächigen Acrylarbeiten mit den Styroporelementen sah, was denn dieser „Scheiß” solle. Das traf. GK verließ wortlos und aufgebracht das Haus. Und es dauerte viele Tage, bis er wieder kam, um sein Werk zu vollenden. Später berichtete ich ihm, wie seine Bilder wichtiger Identifikationspunkt bei Mitarbeitern und Kunden wurde, Humus für ein breites Kunstverständnis. Wir verkauften ja Bäder, die sich nicht über die Wasserdurchflussmenge der Armatur oder die Heizkurve der Therme erschlossen, sondern über Farbe und Form.
Eines dieser Bilder lieh sich GK zur Landesausstellung im Dresdner Schloss aus. Als ich es zurückbekam, war es verändert. Ich musste erst die Photos studieren, um den ‚Mangel’ zu bemerken. Das rote ‚E’ auf dem gelb-grün-schwarzen Grund fehlte. Es war ein anderes Bild geworden, doch GK stellte den Mangel durch neuerliches Übermalen auf meinen Wunsch wieder ab. So war er. Bilder lebten bei ihm weiter. Er war gedrängt vom Perfektionismus in verschiedensten Stilen und Materialien, aber auch kulant und respektierend.
In seinem Atelier an der Heinersdorfer Straße, einer verfallenden alten Poststation, diskutierten wir häufig. Ich erinnere mich gut an seine Vorhaltung zur Frage „Wer ist das”. „Das ist wer”, antwortete er und fasste seinen Respekt vor den Menschen gegenüber abschätzenden Fragen in einem Textbild zusammen: „weristdasistwer”. Meine Frau hat es heute in ihrer Kanzlei auf der Weststraße hängen.
Für Gerd Klampäckel waren Experimente wichtiger als die Botschaft, er hatte eine unsägliche Freude an der Entstehung. Dabei zeigte er immer die Widersprüche und Ungereimtheiten auf, und forderte seine Betrachter, solche zu erkennen. ‚Wie er das Eindrückbare, die reizbaren Stellen ausfindig machen wollte, um Mitschöpfer zu sein und nicht nur abzubilden’, schrieb ein Kritiker. Seine Fragen waren lockend, ironisch, aber nicht beißend, waren eine Brücke zum Gefragten.
Das große Bild aus der Landesausstellung hängt heute in meinem Rücken, ich sitze gerne davor und denke an die ersten Jahre in Chemnitz. GK hat meine Frau und mich als erster mit ernsthaftem Interesse hier aufgenommen. Wir leben gerne hier, auch wenn unsere Kinder sagen, wir wären ja gar keine Sachsen – die vier sind hier geboren.
Peter Wilhelm Patt