Gedanken und Überlegungen
Anmerkung: Gerhard Klampäckel schrieb sehr gern – und viele seiner Gedanken „über Gott und die Welt” hat er zumeist in Schreibheften oder (wenn er Lust und Zeit genug dafür verwenden wollte) auch mit der Schreibmaschine notiert und aufgehoben, später einiges auch verworfen oder korrigiert, mit Anmerkungen versehen – manchmal mir vorgelesen, in Frage gestellt – mir Fragen gestellt…
Vieles von diesen „Gedankensprüngen” ist übrigens auch knapp handschriftlich notiert als mehr oder weniger Notiz „für später” auf schließlich Bergen von kleinen und großen Zetteln – die Macher der Website haben sich Zeit und Liebe genommen, Hinterlassenes aus diesen auch nun schon vergangenen Jahren – immerhin aus den Jahren zwischen 1950 bis 1998 – abzuschreiben und hier zu veröffentlichen. (Wie auch bei allen anderen Texten, insbesondere auch den Gedichten von GK, haben wir die ursprünglich vom Schreiber ganz bewußt verwandte Orthographie beibehalten.)
GK über sich und das Entstehen von (möglicherweise) Kunst – geschrieben 1980/81 in bezug auf seine Bleistiftzeichnungen, einige Passagen sind auch im Katalog zur Ausstellung von Gerhard-Klampäckel Zeichnungen 1981 in der damals unter der Leitung von Dr. Klaus Werner überaus renommierten Berliner Galerie (des Staatlichen Kunsthandels) „Arkade” veröffentlicht.
Beim Zusammenfügen bediene ich mich gern solcher Sachen oder Ansichten, die weder zusammengehören noch zusammenpassen. So erfinde ich Eintracht aus Gegensätzlichem. Nein nicht neue Grundsätze aus Antithesen. Das liegt mir nicht. Mit Melodien meine ich ungewöhnliche, ungebräuchliche Klänge. Mein Programm ist, Widersprüche, Ungereimtheiten, ja Schmerz und alles mögliche in dieser Art ertragbar zu machen. Durch Auffindung, Betroffenheit und Abschätzen der Ausmaße. Dazu nicht im Gegensatz finde ich, daß jeder Widerspruch im Geist und in den Gefühlen sich zu einer Art Revolution auswachsen sollte, irgendwie und irgendwann. Wie im Gefolge all diese Revolutionen zu bewältigen seien, sind Menschen aller Ebenen und Zeiten aufgerufen. Insofern verstehe ich mich als jemanden, der kommunalpolitisch interessiert ist. Ich will immer alles so gut ich kann verschlüsseln und verschließen, daß jemand außer mir nur unter großer Anstrengung Zugang dahin finden soll. Ich will meinen Mitmenschen auf diese Weise versichern, daß ich sie ernst nehme. Sie sollen wissen, daß ich das meiste an ihnen kenne, denn alle sind verwandt mit mir, denn ich bin mit allen verwandt. Beginne ich mich auf das Rechteck einzulassen, dann lasse ich mich ein auf das Risiko, am Ende die Schwierigkeiten meines eigenen Daseins als unbewältigt erscheinen zu lassen.
Und erlaube mir dabei immer wieder mit höchster Genugtuung die Abenteuer des Wunders und des Wunderns. Das ist mein Profit. Bin mir dabei nicht sicher ob das schon eine Weltanschauung ausmacht.
Ich werde mich aber immer vor allem möglichen hüten.
Vor Superlativen zum Beispiel. Sie zu gebrauchen aber auch, sie ertragen zu müssen. Weil viele Menschenleben nicht ausreichen, um all die unendlich vielen herumliegenden Teilchen, Symbole des Erkennbaren und Forderungen zugleich, um all dieses Viele aufzusammeln und zu einem Überblickbaren zusammen zu bringen. Zu vieles gibt es, was bei diesem Werk verloren geht oder auch was den Blick in die Unendlichkeit verstellt. Verletztes Menschenglück, verwundete heilige Scham des Menschseins soll heißen: Aufbruch zum Flug über Ebenen und Hügel. Verletzungen der Behausung, der Hautoberfläche aber auch der Substanz sind dabei nicht ausgeschlossen. Ich kriege jedenfalls das Gefühl nicht los, als wäre alles Natürliche noch nicht ganz fertig, wir stünden noch mitten in der Schöpfung.
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Nun hab ich mein Handwerkszeug genommen. Ich bitte um Duldung. An irgend einer Ecke muß man ja wohl mal anfangen, an sich zu stricken. Ich mache mir Ansichten über mich und über Sie und setzte immer schon Leben mit Schönheit gleich. Trotz alledem. Diese Anschauung von der Welt und noch viele mehr gibt es. Das liegt an ihrer Rundheit. Unendlich viele Punkte gibt es da, von denen man, usw.
Zum Beispiel: Den Fall gesetzt, man unterläßt, etwas am Namen zu nennen. So ist das korrigierbar. Den anderen Fall gesetzt, man nennt etwas beim Namen, dann sollte das endgültig sein.
Stelle mir vor, daß ich an einer Etwasschöpfungsaktion beteiligt sein könnte, dürfte oder müßte. Ein Recht übrigens, das sich jeder herausnehmen sollte. Sich dies vorzustellen, setzt Kräfte frei, treibt auf wie Hefe.
Ich überlege oft, ob Auferstehen am Morgen als eine Übung nur oder schon als Konzeption eines Bewußtwerdens gewertet werden sollte. Manchmal wenn ich ein Blatt zeichne, fällt mir dann so etwas ein. Auch solches. Zum Beispiel, sollte einmal ein Menschenkind in Gefahr geraten, vom Duft einer Rose erdrückt zu werden, dann bitte stehen Sie nicht herum. Tun Sie so wie ich es etwa täte: Greifen Sie zu. Dies mit überzeugender Technik in die richtige Ordnung gebracht und unwiderruflich zur Maxime erhoben, könnte bewirken, das Vernünftigste und Klügste in der menschlichen Natur nach oben zu bringen. Leider auch hier sind Zweifel am Platz.
Möglicherweise gibt es einmal einen Ruck.
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Wenn ich z.B. menschliche Haut, also Oberfläche zeichne, dann soll es am wenigsten solche sein. Ich vermute nämlich immer, daß darunter viel mehr steckt. Vermutung aus Neugier und Vermutung aus Überzeugung. So möchte ich nichts vorenthalten und sollte es auch das Geringste sein. Mehr, eben dieses Geringste suche ich. Ich habe einmal mitten im Sommer ein welkes Blatt fallen gesehen. Darüber erschrak ich ganz erbärmlich.
Als ob man so etwas für sich behalten könnte. Aber auch: schmerzlich eingedrungen muß schon sein. Wenn auch immer wieder zweifeln ob’s die richtige Art denn sei.
Und nichts sollte einen sich an einer gewissen Schöpfung beteiligt Wähnenden soweit bringen, aus einer vorgefaßten Tiefe heraus alles mit seinen Ansichten zu belegen.
Da wäre zum ersten und zum besonderen eine bestimmte Kraftzufuhr zu nennen, ohne die nichts zu machen ist. Auch nichts zu unternehmen ist. Das gehört zu dem, was ich schon früh begriff. Kreisnutzung ist das, Nutzen des Kreises zum Nutzen des Kreises. Auferstehung, Auferstehung woraus immer man will. Von da aus Möglichkeiten bis zum Flug. Überhaupt, wie man Unendlichkeit begreift oder von wo aus man auch immer so etwas betrachtet, ein solches fast nicht Vorstellbares – es scheint es zu geben und zwar entstehend oder vielmehr vielleicht existierend aus lauter Endlichem, das heißt Anfaßbarem. Oder vielleicht umgekehrt: Endliches aus lauter Unendlichem. Wie auch, beides scheint mir einleuchtend.
Sicher sollte man Leute, die das rausgekriegt haben ernsthaft nochmal darum befragen. Befragung wegen eventueller Unsicherheit. Daraus verstehe ich auch Religiosität, Ideologien. Auch Bedarf an Kunst. Alles in allem heißt das: Eindringen, Beschleunigen oder Verzögern, aus dieser reinen Quelle.
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Nun zittert mir vor lauter Unsicherheit beim Zeichnen oft die Hand. Auch um Ihnen mitzuteilen dies und manches andere. Auch was ich von diesem und jenem halte. Und auch wie Fernen zu durchmessen wären unter Umständen, der Punkt zu erreichen wäre, von dem aus man. Aber dann merke ich schnell: hier bist du zu weit gegangen, das ist nicht mehr deine Sache. Meine Sache aber immer ist, Stellen ausfindig zu machen, eindrückbare, reizbare.
Gern wüßte ich noch wie dies und das einmal so ausgeht.
Dabei denke ich, daß einiges bis unter die Haut gehen sollte.
Und einiges habe ich für mich schon entschieden.
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Ver – Gleichung
Ver = Gleich
Ver = Gleich + Gleich
Gleich = Ver + Ung
Gleich = Ver – Ver ( Ung/Gleich )
Ung = Gleich – Ver + Ver – Ung
Gleich = Gleich ohne Ver
Ver = Ver
x Ver = immer Ver
item:
Ver = Gleich Ung
doch:
Ung = Gleich Ver
zum Beispiel.
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Auch das noch: Ein gewisser Leichtsinn gestattet mir oft tiefere Einsicht. Dabei ist nicht immer sicher ob es sich um letzte Wahrheit dreht. Kannsein ich belasse es bei der Vermutung. Auch hier. Das läßt mir Gottseidank den Blick frei. Wie es dabei überhaupt so oft, allzuoft nur um Verstellungen geht, Verstellung des Weges, weil es diesen betrifft.
Unentwegt geht es dabei um das (undenkbar dies zu unterlassen): Darüber nachzudenken. Kommt nun der Berg zu mir oder muß ich mich auf den Weg zu ihm machen. Manchmal fallen mir dazu Geschichten ein, vorher nie gesehene. Die haben dann so eine Mechanik an sich. Werden durch diese bewegt. Ganze Körper auch. Mechanisch an ihrer Funktion gehinderter Körper. Sag mir jemand wie ich darauf komme.
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Eigentlich wollte ich Funde machen. Am Ende mache ich sie mir selber. So kann es zugehen, wenn man einen Bogen leeren Papiers vor sich hat. Und immer diese Unverfrorenheit, mit der sich dieses einem entgegenstellt. Im Gegensatz dazu: was mich nicht reizt, sind die unglaublichen Entfernungen und Blicke durch Vergrößerungsgläser.
Möge diese Welt so oder so sein, immer aber bleibe ich verliebt in ihre grüne Schönheit. Und vertrau ihren Pulsschlägen. Und lese an ihnen ab, daß vor dem Erwachen immer der Schlaf ist. Und bleibe versöhnt. Träume spielen dabei kaum eine Rolle. Ich lasse mir von ihnen nichts vormachen. (Lieb es aber sehr, wenn sie zu mir kommen.)
Theater ist dagegen alles. Der Reiz des Nachdenkens besteht doch wohl in der Nein-Stellung zur künstlichen Beatmung. (Hat das etwas mit tieferer Wahrheit zu tun, so sollte man sich dadurch nicht vom Tun abhalten lassen.)
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Manchmal, wenn ich ein Blatt zeichne, fällt mir dann so etwas ein. Auch solches. Zum Beispiel, sollte einmal ein Menschenkind in Gefahr geraten, dann bitte stehen Sie nicht herum. Tun Sie so wie ich etwas täte: Greifen Sie zu. Dies mit überzeugender Technik in die richtige Ordnung gebracht und unwiderruflich zur Maxime erhoben, könnte bewirken, das Vernüftigste und Klügste in der menschlichen Natur nach oben zu bringen.
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Wenn ich menschliche Haut, also Oberfläche zeichne, dann soll es am wenigsten solche sein. Ich vermute nämlich immer, daß darunter viel mehr steckt. Vermutung aus Neugier und Vermutung aus Überzeugung. So möchte ich nichts vorenthalten und sollte es auch das Geringste sein.
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Kreisnutzung ist das, Nutzen des Kreises zum Nutzen des Kreises. Auferstehung. Auferstehung woraus immer man will. Von da aus Möglichkeiten bis zum Flug. Überhaupt, wie man Unendlichkeit begreift oder von wo aus man auch immer so etwas betrachtet, ein solches fast nicht Vorstellbares – es scheint es zu geben und zwar entstehend oder vielmehr existierend aus lauter Endlichem, das heißt aus Anfaßbarem. Oder vielleicht umgekehrt auch: Endliches aus lauter Unendlichem. Wie auch, beides scheint mir einleuchtend.
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Über meine Art zu arbeiten: Da habe ich es durchaus zu einem gewissen Rhythmus gebracht. Was über vier Tage an einem Blatt hinausgeht, bringt mich in Gefahr, allen meinen Elan daran zu verlieren. Beim Musikhören plane ich mein nächstes Unternehmen. Oftmals.
Ich schaue z.B. von einem 300 m hohen Schornstein herab und vernehme von tief unten das Kreischen der Bewegungen, das seine Ursachen in der viel zu engen Berührung hat.